Jugendstilwege in Turin und im Piemont

Die Stilelemente des Jugendstils, inspiriert von den geschwungenen Linien der Natur, stehen als Symbol für die Vitalität der neuen Zeit, des Fortschritts, und finden in den Jahren des wirtschaftlichen und industriellen Aufschwungs nach der Wiedervereinigung im gesamten Königreich Italien Verbreitung und verschönern neue Wohnviertel, die vor allem für die Mittelschicht reserviert waren.

 

Der Jugendstil, dessen künstlerische Sprache eine große szenisch-dekorative Wirkung auf die Industriearchitektur und die Häuser mit " Ertrag " hatte, kam in Turin und im Piemont anlässlich der Ersten Internationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst im Jahr 1902 im Valentino-Park an. Heute entdeckt man am besten, wie die "Neue Kunst" in das Barock der Stadt eingesetzt wird, wenn man einen Spaziergang macht und die eleganten privaten und öffentlichen Gebäude, sowie die Schilder und Schaufenster von Architekten wie Raimondo d'Aronco, Pietro Fenoglio, Carlo Ceppi, Vandone di Cortemilia, Annibale Rigotti und Giovan Battista Carrera bewundert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Turin seit Anfang des 20. Jahrhunderts als italienische Hauptstadt des Jugendstils gilt, dank dieser raffinierten Meisterwerke, die sich strahlenförmig vom Zentrum bis zu den Hügeln verteilen.

 

Im Zentrum werden Sie von den Innenräumen des historischen Caffè Baratti e Milano (1909 renoviert) verzaubert, eine Mischung aus phytomorphen Motiven, Stuck und Intarsien, mit luftigen Fenstern mit Blick auf die Galleria dell'Industria Subalpina (Carrera, 1873). Nicht weit davon entfernt befindet sich das hübsche Caffè Mulassano, mit Boiserien, Spiegeln und Bronzefriesen dekoriert, und einer Kassettendecke aus Holz und Leder. In der Nähe des Bahnhofs Porta Nuova stehen zahlreiche historische Gebäude, darunter Palazzo Priotti, Palazzo Debernardis und Palazzo Lattes, während in Richtung Piazza Statuto auch noch Casa Florio und Palazzo Bellia. Zwischen Cit Turin und San Donato ist Casa Fenoglio-Lafleur. 1902 vom Architekten Fenoglio als sein Wohnatelier entworfen, ist es ein authentisches Symbol des Turiner Jugendstils, nicht weit von Villino Raby und Casa della Vittoria (oder Casa Carrera, benannt nach dem Bauunternehmer aus Biella, dem es gehörte, oder Casa dei Draghi, wegen der beiden geflügelten Gestalten, die die Eingangstür flankieren). Dann die ehemalige Brauerei Bosio & Caratsch (die erste italienische Brauerei, im Jahr 1845 gegründet) und die ehemaligen Bagni Municipali bis zum Institut Faà di Bruno. Im Viertel Crocetta befinden sich unter anderem der Palazzo Ceriana Mayneri (heute Sitz des Circolo della Stampa), die Casa Maffei und die Casa Avezzano. Bei kommunalen und industriellen Aufträgen angewandt, ist der Jugendstil wesentlich und nüchterner in der Dekoration von Mietshäusern und Schulen, Lager und Fabriken in historischen Arbeitervierteln wie z. B. Aurora (ehemalige Officine Grandi Motori, ehemalige Sferisterio und Torri Rivella) und San Paolo, mit der ehemaligen Lancia-Fabrik und der Schule Santorre di Santarosa. Zwischen dem Valentino-Park und dem Viertel San Salvario sind Elemente des Jugendstils charakteristisch für Casa Bioletti, Villa Javelli, das Haus mit der Portone del Melograno (''Granatapfeltür'') - eine Kreation von Fenoglio - und die ehemaligen Bagni Municipali, direkt neben dem ersten Fiat-Werk, im Jahr 1900 eröffnet. Am Ende des 19. Jahrhunderts, als der Bevölkerungszuwachs die Stadt zu einer Ausdehnung "jenseits des Po" führte, entstanden gemischte Kerne von Mietshäusern und bürgerlichen Residenzen, wie z.B. in Borgo Crimea, wo man die Villa Scott - Schauplatz einiger Szenen des Films Profondo Rosso von Regisseur Dario Argento -, Villino Giuliano, Villino Foà-Levi, Casa Pasquetti und Casa Mussini findet.

 

Der florale Stil, Lieblingsstil des Bürgertums, fand auch in der Grabmalkunst breite Anwendung. Wichtige Werke von Meistern der Accademia Albertina in Turin sind in der Besichtigung des Monumentalfriedhofs der Stadt eingeschlossen.


 

 

[Ph. Credits: Cristina Pellerino]